Donnerstag, 30. April 2015

Die Kunst für den Spaß

Wer schon mal auf einem Kurs von Bent Branderup war, hat mit Sicherheit schon das Zitata "L`Art pour L´Art" gehört. Die Kunst für die Kunst. Der Ausspruch stammt aus dem Barock, als man am Hofe nicht mehr (nur) ritt, um in den Krieg ziehen zu können, sondern aus aus Freude an der Kunst. Oder einfach, um auf Paraden oder beim Ringreiten zu glänzen. Das Pferd wurde zum Kunstgegenstand und die Kunst besteht auch heute noch darin, es zu formen. Die Formgebung und Gymnastizierung sollen das Pferd befähigen, sich selber schön zu fühlen, seinen Körper gesundheitserhaltend einzusetzen und auch mit dem Reiter auf dem Rücken seine Gelenke so zu nutzen, dass sie dabei keinen Schaden nehmen. Hierin liegt ganz offensichtlich das Wesen der Reitkunst. Lektionen erfüllen dabei einzig den Zweck, das Pferd zu gymnastizieren, sie haben keinen Selbstzweck. Sprich: Ich erarbeite keine Pirouette, um eine kleine Drehung auf der Hinterhand zu haben oder eben um eine Pirouette zu reiten, sondern, um dem Pferd zu helfen, noch mehr auf die Hanken zu kommen und Schulterfreiheit zu erlangen und um die Hüfte geschmeidig zu machen.

"L`Art pour L`Art" - Während meines Praktikums sehe ich permanent wirklich gute Reiter, bei denen dieser Satz sich verselbstständigt zu haben scheint. Obwohl immer wieder gesagt wird, dass "die Dressur für das Pferd da ist und nicht das Pferd für die Dressur" (Bent Branderup) und dass die Lektionen nicht für Zuschauer gezeigt werden sollen, sondern einzig den Zweck erfüllen, das Pferd zu schulen, habe ich doch den Eindruck, dass über dieser ganzen detailverliebten Kleinarbeit der ursprüngliche Gedanke verloren gegangen ist, der doch die meisten von uns in den Stall gebracht hat: Spaß mit dem Pferd haben zu wollen, den Kopf mal ausschalten und die Seele baumeln lassen zu können. Auf einem Pferd, das mir vertraut und dem ich vertraue schöne Stunden im Gelände zu verbringen und rasante Ritte über weite Wiesen zu erleben, um es mal ein bisschen kitschig auszudrücken.

Ich streite dabei nicht ab, dass auch die Arbeit in der Reithalle Spaß macht. Auch ich übe gerne die korrekte Biegung und Stellung, das Versammeln und wieder vorwärts gehen, Schulterherein, Kruppeherien, Traversalen und Pirouetten. Und ich merke, wie gut Salut diese Arbeit getan hat und tut. Man sieht es an ihrem Rücken, der wieder schön bemuskelt ist und weniger hängt, und an ihren Bewegungen. Gerade der Rücken, der immer ihre Schwachstelle war muss mich ja schließlich tragen können, wenn ich mir den Wind um die Ohren sausen lassen möchte. Aber ohne Ausreiten, ohne Hüpferlis, Freiarbeit, Zirkus und langes Putzen und Tüddeln möchte ich kein Pferd halten.

Genauso glaube ich, dass es auch dem Pferd keinen Spaß macht, jeden Tag Gymnastik zu machen und an den Bewegungen zu arbeiten, die ihm schwer fallen. So werde ich zum Sportlehrer, der bestenfalls nicht abgelehnt, aber eben bestimmt nicht als Freund betrachtet wird.
Ich versuche hin und wieder, mir mit der anderen Hand die Zähne zu putzen oder beim Fegen die linke Hand oben am Besen zu haben. Eigentlich einfache Bewegungen, die mir aber so rum ausgeführt sehr schwer fallen, sodass ich schon nach wenigen Minuten wieder aufgebe. Wieso gehen also so viele Reiter, auch Akademische Reiter, davon aus, dass es ok ist, jeden Tag über Minuten am Stück die schwierigen Dinge zu verlangen? Wieso können nicht mehr von uns einfach Spaß haben und mal für einen Tag die Kunst Kunst sein lassen und schauen, ob sie denn für unseren eigentlichen, ursprünglichen Traum schon einen positiven Effekt hatte?

Wir jedenfalls haben gestern das gute Wetter genutzt und sind zwei Stunden in den Wald gegangen. Heute hatte Salut Muskelkater, aber gute Laune. Und dann ist es doch völlig in Ordnung, dass wir in unserer Stunde heute nicht glänzen konnten, finde ich. Was meint ihr?

Salut und ich im Sommer 2006




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