Was ist die Aufgabe des Sattels?
Grob zusammengefasst soll der Sattel die Wirbelsäule des Pferdes vor Druck schützen. Das weiß eigentlich jeder. Druck entsteht, wenn wir uns ohne Sattel auf den Pferderücken setzen, nicht nur dadurch, dass unsere vielleicht spitz hervorstehenden Gesäßknochen in die Muskulatur drücken, sondern auch dadurch, dass das Gewebe straff über den Dornfortsätzen der Wirbel gespannt wird. Darüber hinaus sind wir alle ein wenig schief und verteilen unser Gewicht, also den Druck, vielleicht nicht ganz gleichmäßig auf die rechte und linke Seite. Auch dies soll der Sattel ausgleichen. Damit soll es dem Rücken ermöglicht werden, ungestört zu schwingen [2.2]. Aber nicht nur nach rechts und links, auch über die gesamte Auflagefläche soll der Sattel das Gewicht verteilen, um dem Pferd das Tragen des zusätzlichen Gewichts zu vereinfachen [1]. Was viele vergessen ist, dass außerdem auch Reibung über den Dornforsätzen entsteht, indem wir in der Bewegung auf dem blanken Pferderücken sitzen [1].
Auf der anderen Seite dient der Sattel aber auch uns, unseren Hilfen und damit der Kommunikation mit dem Pferd. Stellt euch ein ganz dünnes Pferd vor: Könnt ihr da drauf sitzen und feine Hilfen geben, ohne euch mit den Beinen festzuklammern? Ein hervorstehender Widerrist verhindert ebenfalls sehr effektiv einen entspannten Sitz. Am anderen Ende der Skala stellt euch jetzt ein extrem dickes, oder sagen wir lieber breites, rundrippiges, Pferd vor: Ihr könnt eure Beine nicht hängen lassen, die wandern immer nach vorne und ihr landet im Stuhlsitz. Der Sattel soll also die Anatomie des Pferderückens und die des Menschenbeckens einander näher bringen und Hilfengebung vereinfachen [1]. Auf dem runden Rücken soll er nach unten breit sein, die Sitzfläche aber soll schmaler sein als das Pferd. Das schmale Pferd muss er ein bisschen breiter, griffiger machen. Und so weiter, ich glaube, ihr wisst, worauf ich hinaus will.
Darüber hinaus soll der Sattel besonders das Reiten in der Wahl-Disziplin erleichtern.
Je nachdem, was wir mit dem Pferd vorhaben, ist nicht jeder Sattel gleich gut geeignet. Es ist keine Geldmacherei, dass Sattler so viele Satteltypen anbieten: Dressur, Springen, Vielseitigkeit mit verschiedenen Ausrichtungen; unterschiedliche Westernmodelle; etwas spezieller Isländer- und Friesensattel, Distanzsattel usw.
Abhängig davon, was wir mit dem Pferd und Sattel annstellen möchten brauchen wir Pauschen, ein Horn, einen besonders leichten Sattel, den Schwerpunkt weiter vorn oder hinten usw.
Und nicht zu vergessen: Der Sattel dient auch unserer Sicherheit! [2.2].
Worauf ist bei derAuswahl des Sattels zu achten?
Besonderes Augenmerk ist auf die anatomischen Gegebenheiten des Pferdes zu legen. Auf keinen Fall darf der Sattel zu lang sein (s.u.). Ebensowenig darf er auf der Schulter liegen. Auch Bemuskelung, Form des Widerristes, Schwung des Rückens (z.B. Senk- oder Karpfenrücken) müssen beachtet werden.
Bei aller Rücksicht auf das Pferd muss der Sattel aber auch dem Reiter passen. Denn sitzt der nicht bequem, kann er nicht korrekt einwirken und stört das Pferd, selbst wenn der Sattel super passt. Hier müssen Hosengröße und Sitzlänge zusammenpassen und die Polsterung des Sitzes muss dem Gewicht und eventuellen Vorlieben entsprechen. Aber auch die Neigung der vorderen Hälfte der Sitzfläche und die Anbringung der Steigbügel, welche die Lage des Beins beeinflusst, sind zu berücksichtigen. Je nach Beinlänge empfiehlt sich ein Sattel mit mehr Vorschnitt [1]. Manche Reiter fühlen sich auf einem breiteren Sattel wohl, anderen ist ein schmaler lieber, wobei die Breite des Beckens hier wesentlichen Ausschlag gibt.
Sind Form und Farbe beim Sattelkauf wichtig?
Nun, wenn man sich einen neuen Sattel leistet kann man vielleicht das gleiche Modell in schwarz oder braun haben. Oder mit farbigem Rand am Hinterzwiesel oder ohne. Bei Pferden, die eine sehr einfache Sattellage haben, für die prinzipiell verschiedene Modelle in Frage kommen, kann vielleicht auch beim Kauf eines gebrauchten Sattels Rücksicht auf Farbvorlieben genommen werden. Für mich fällt diese Option aber komplett raus - einen neuen Maßsattel kann ich mir nicht leisten und passende Gebrauchtsättel sind Mangelware für die Prinzessin. Ich habe mich darüber hinaus auch gleich von dem Wunsch nach einem Dressursattel getrennt und mich darauf beschränkt, ein Modell zu finden, das überhaupt passt. Ich hoffe aber, dass wir hier die Ausnahme sind. Dennoch für alle anderen, die auf der Suche sind: Versteift euch nicht auf die Vorstellung einer Sattelart, Marke oder Farbe; seid offen und probiert unterschiedliche Typen aus und wenn euch ein Sattel begegnet, der wirklich passt, und für euren Zweck funktioniert, haltet ihn fest anstatt euch über das Design zu ärgern! Euer Pony wird es euch danken, indem es fortan freier, lockerer und freudiger unter euch läuft.
Und nun die Frage, die uns besonders am Herzen liegt:
Woran erkenne ich, dass der Sattel passt?
Tja, die Million-Euro-Frage. Nochmal: Ich liefere hier bloß eine Übersicht der Dinge, auf die ich zu achten gelernt habe. Wer es genauer wissen möchte, schaut bitte in die unten empfohlenen Bücher.
1) Sattel ohne Pferd:
- Der Baum darf nicht verzogen, also zu einer Seite schief sein und die Kissen sollten auf beiden Seiten gleich dick und gleich fest sein. Man kann das prüfen, indem man ihn sich mit der Vorderkante auf die Füße stellt, die Sitzfläche in Richtung der Beine. Wenn man nun von oben über die Unterseite des Sattels schaut, kann man erkennen, ob der Sattel gerade und symmetrisch verläuft und ob die Kissen die gleiche Dicke aufweisen. Die Aufmerksamkeit ist hier daruaf zu richten, dass die Mitte des hinteren Sattelkranzes auf einer Linie liegt mit der des vorderen.
- Der Sattelbaum darf sich nicht verbiegen lassen, das würde darauf hindeuten, dass er selbst oder das Kopfeisen gebrochen ist [1].
- Die Kissen sollen elastisch und frei von Knubbeln sein. Das kann man einfach durch etwas festeres Drüberstreichen erfühlen [1 und 2.2].
- Der Sattel liegt mit seiner vorderen Kante hinter dem hintersten Punkt der Schlter (kann man ertasten) und endet spätestens am 18. Brustwirbel [1]. Diese ist bei vielen Pferden einfach zu erkennen: Fühlt man die Wirbelsäule entlang kann man meist einen Huckel in etwa dort spüren, wo man das Ende des Sattels vermutet. Sofern es sich hier nicht um eine Auswirkung eines unpassenden Sattels handelt, ist dies der erste Lendenwirbel. Der Sattel muss also DAVOR enden.
- Von vorne betrachtet soll der Ortsstand parallel zur Schulter verlaufen, damit diese in der Bewegung darunter geschoben werden kann [2.2]. Auch der Rest des Sattelbaumes, also des festen Teils des Sattels, soll von vorne betrachtet parallel zur Rundung des Rückens verlaufen. Hierzu hat Marc Lubetzki in seinem online verfügbaren Buch "Die Sattelprobe" anschauliche Skizzen [1].
- Die Polsterung, bzw. das Sattelkissen, entspricht der Form des Rückens, des Trapezmuskels und seinem Übergang zur Schultermuskulatur. Das Kissen sollte nicht dem Rücken entgegen gebogen sein [2.2].
- Sowohl vorne (unter den Ortsspitzen), als auch hinten sollte man noch eine Hand unter den Sattel schieben können, wenn man drauf sitzt. Die Hand muss ebenso leicht auch wieder darunter hervor zu ziehen sein [2.2]. Der Sattel darf weder eine Brücke über den Rücken, noch eine Wippe bilden [1].
- Der Schwerpunkt des Sattels soll beim 12. oder 13. Brustwirbel liegen [1] (zu ermitteln z.B., indem man vom ersten Lendenwirbel 6-7 Wirbel nach vorne zählt). Dazu schaut man sich Pferd und Sattel am besten mit etwas Abstand von der Seite an. Der tiefste Punkt des Sattels entspricht dem Schwerpunkt. Barock- und Westernsättel dürfen ihren Schwerpunkt etwas weiter hinten haben [1].
- Auch nach längerem Reiten müssen noch mehrere Finger unter den Sattelkopf/ Vorderzwiesel passen [2.2].
- Weder die Sturzfeder noch die Riemen dürfen nach unten hin drücken. [2.2]. Zur Überprüfung wird eine Hand unter die Steigbügelaufhängung mit eingehängtem Bügelriemen geschoben, wobei Sturzfeder und Riemen nicht zu tasten sein sollen.
- Die Kissen müssen genügend Platz für die Wirbelsäule und die Muskeln lassen. Besonders vorne! Am Trapezmuskel sollten mindestens ca. 8 cm Platz zwischen dem linken und rechten Kissen sein [2.2], der alte Sattlermeister Otto von Bartholdy verlangt sogar 10 [2.3].
- Wenn gegurtet wird, soll die vordere Gurtstrippe senkrecht verlaufen. Tut sie das nicht, wird der Sattel durch die Gurtung beim Reiten mit großer Wahrscheinlichkeit aus seiner Position nach vorne oder hinten gezogen [1].
- Das Pferd läuft mit losgelassenem Rücken [1 und 2.2], zu erkennen daran, dass der Rücken sich bewegt und der Bauch von einer Seite zur anderen pendelt. Der Schweif wird dabei (bei den meisten Pferden und wenn diese entspannt sind) locker hin und her schwingend getragen.
- Das Pferd tritt mit den Vorderbeinen wirklich vor und hebt die Schultern dabei.
- Auf einer kleinen Volte bleibt der Sattel mittig auf dem Pferd liegen, rutscht weder nach außen, noch nach innen (von vorne und hinten betrachten!).Wenn die hintere Sattelpartie nach außen rutscht, ist der Sattel wahrscheinlich zu eng am Trapezmuskel [2.2].
- Der Sattel darf in der Bewegung nicht auf den Rücken schlagen, sich nach vorne, hinten oder zur Seite bewegen [1].
Quellen:
1: Lubetzki, Marc (2010): Die Sattelprobe; 5. Auflage 2010
2: Stodulka, R.; Weiß, E. & Meyners, E. (2013): Medizinische Sattellehre. Der pferdegerechte Sattel nach veterinärmedizinischen, funktionellen und biodynamischen Grundsätzen. Mit einer Neuausgabe von Bartholdy, O.v.: Anleitung zum Sattelbau; Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag
2.1: Stodulka, R.
2.2: Weiß, E.
2.3: Meyners, E.
2.4: Bartholdy, O.v.
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